The Imprint of Text on Pictures Painting - provided that it is not a matter of pleasurable recreational therapy or a passionate hobby - means exposing oneself to the incessant tension between desire and realization. If there were a description or a handbook of the paths and places along the way from the idea to the picture, then this would be a treasure trove of knowledge and wisdom that had succeeded in coaxing a geography out of the secrets. But this does not exist. Too complex and labyrinthine are the creative paths, too surprising and complicatedly protracted the discoveries. For Wolfgang Günther, something like an intimate village exists in the present regions of his painting, resulting from all kinds of activities while he wanders from one cottage to the next. It's called: reflecting, looking, listening, reading, collecting, reflecting again, painting, and - hiding. His photo-collages, the paint-overs, or the latest works with waxed tissue papers: "pictured thoughts," as he puts it. Poems, pieces of music, lines of text, sayings serve as rich sources from which he takes and builds his images. However, text or music are not meant to be recognized. They have been pictorially dissolved and consciously alienated from their concrete meaning. On the one hand this is what Günther means by "hiding." Characters do not retain their literal sense and thereby avoid banalization. And on the other hand, the consequence of this: riddle-making and encryption activate a court of associations, force and drive the question as to whether one will arrive at the origin, the source. Of course the path is important, because the pictures outgrow their contents and the "imprint of text," as Wolfgang Günther assures us "is often so enormous that you cannot paint it." Im Dorf der Gedanken Wolfgang Günther ist ein großer, stattlicher Mann in seinen fünfziger Jahren, dessen Malerei etwas Kontemplatives und etwas Rabiates hat. Seitdem er der von Millionen für so anziehend gehaltenen Existenz als Landarzt in Tirol entflohen ist, schaut er sich die Welt vorwiegend in Salzburg und auf der griechischen Insel Patmos an. Dort lebt er jedes Jahr etliche Monate ein langsames Leben, das man für beschaulich halten könnte, wenn es nicht die Voraussetzung wäre für eine künstlerische Arbeit, die weniger ruhig, als rauschhaft anmutet. Nachdem er sich in Salzburg und auf Patmos nämlich lange genug mit dem kontemplativen Betrachten von Land, Leuten, Landschaft und Vergänglichkeit beschäftigt hat, nimmt sich Günther das, was er in der Wirklichkeit gesehen, und das, was er in seinem Inneren erschaut hat, noch einmal auf der Leinwand vor. Hat er früher im Zillertal die Menschen, die sich geschnitten haben, wieder zusammengeflickt, reißt er jetzt die Landschaften, die er betrachtet und in sich aufgenommen hat, auseinander, um sie nach einer Anatomie, die er selbstherrlich nach eigenem Gutdünken entwirft, neu zusammenzusetzen. Das hat, wiewohl es an die abstrakte Kunst gemahnt, stets etwas ungemein Körperliches, nicht zu sagen Fleischliches, und wirkt keineswegs als kühle Etüde in Farbe und Form, sondern als ungemein sinnlicher Vorgang. Den zerlegten, erinnerten, erdachten, vorgestellten Landschaften ritzt er mit dem Stift Schriftzüge ein, Zeichen, Symbole unterschiedlicher Herkunft; dies aber tut er nicht mit der Absicht, seine Bilder zu verrätseln und ihnen, die ungemein expressiv an den Betrachter appellieren, noch eine geheimnisvolle Attitüde aufzupicken, sondern weil er sich sein Bild vollständiger wünscht, als es die Wirklichkeit ist. Er reduziert die Wirklichkeit nicht nach und nach im Akt künstlerischer Konzentration auf ihre verborgenen Gesetze, sondern erweitert sie, die wir immer nur partikulär erfahren, zu einem kolossalen Ganzen. In diesem mag jeder, der es sich ansieht, anderes entdecken, aber jeder wird etwas entdecken. Ein Berserker, dem es um nicht weniger als alles geht, ist Wolfgang Günther kontemplativ und rabiat zugleich, und darum ist es auch nur folgerichtig, daß die einen sich in seine Bilder versenken, die anderen aber von ihnen aus ihrer Ruhe aufgeschreckt werden.i3éa, picture Because he is an old Greek and a passionate artist, Wolfgang Günther allows the pictorial aspects of perception that once consituted idéa to light up again in his ideas. Painting and thinking at the same time, he searches for the core of things, until he has arrived at the "idea," the archtetype of every single thing that has moved him as an artist. The creative process is in this respect always a double one, because it is determined equally by intoxication and calculation, abandonment and deliberation. These opposing forces must by no means always interact harmoniously, but the patient exposure of himself to them constitutes part of Günther's artistic work: sometimes he knows more than he paints, sometimes he paints further than he knows - and in order to arrive at the place he set out for, he has to believe that while working he will find the path to a goal that he does not even know himself at the outset. Wolfgang Günther verarbeitet seine täglichen optischen Eindrücke, seine Netzhaut-Speicherungen, wie er es nennt, zu Ikonen einer Wunschlandschaft. Es entstehen meist Bild-Serien, die durch ein Thema zusammengehalten werden. Ob das Motiv durch das Malen entsteht oder vorgefaßt ist, muß für den Betrachter nicht ersichtlich sein. Günther arbeitet frei mit allen Elementen seiner bisherigen Arbeitserfahrung, zerstört Malgründe, klebt zerknittertes Papier auf Leinwände, sucht in der Collage die erweiterte Ausdrucksform. Er erfindet im Malen, in der Arbeit, außerhalb einer rationellen Vorstellung, in der anstehenden Auseinandersetzung sein eigenes Logo. Wie jede Entwicklung von der Abhängigkeit in die Unabhängigkeit und von der Verwicklung in die Freiheit zielen sollte, so spürt man bei Wolfgang Günther eine immer unabhängigere Kraft der Gestaltung der Bildelemente und einen Wegfall der Spekulation mit dem Betrachter. Er, der fähig ist, zu sehen, Farben und Formen in sich aufzunehmen, der nicht müde wird, seine Umgebung, seinen Lebensraum malerisch zu erfassen und sich so eine ungezwungene Handschrift erarbeitet, wird weiter eine Bilderwelt erschaffen, die einen freien Geist darstellt. Unabhängig von den vielen lauten Strömungen in unserem Kulturgeschehen. "auftauchen von formen und farben als dinge des geistes", diese Zeile aus einem Gedicht des amerikanischen Schriftstellers Robert Lax, ein Vertreter der konkreten Poesie, bestimmt die derzeitige Schnittstelle der Kunst von Wolfgang Günther, des Malers, mit der seines Freundes, dem Dichter. Günthers Bilder der letzten zwei Jahre stehen in enger Beziehung zu Dichtungen von Robert Lax. Das spannende Sich-Einlassen auf die philosophischen Gedanken und Beschreibungen der Insel Patmos, ihres gemeinsamen Wohnortes, erfolgt in Form einer "Konversation", welche in des Malers Art emotionell auf der Leinwand verarbeitet wird. Den Ausgangspunkt gibt für Günther die Offenheit der Dichtung von Lax an. Die läßt für ihn viele Analogien mit eigenen Eindrücken und Stimmungen zu. "eine wolke betrachtet mit vollkommener gelassenheit den hügel". Trotz all dieser "Vielschichtigkeit" mögen die Bilder von Wolfgang Günther ganz einfach, auch im Sinne des Malers, als schön erfahren werden und die BetrachterInnen romantisch stimmen. Auch diese Sichtweite läßt das Naturbild Günthers in seiner Offenheit zu.
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